Donnerstag, 27. Januar 2011

Mähdrescher fahren!

Hoch lebe die europäische Bürokratie.

Nachdem ich beim Arzt war und mir bestätigt wurde, dass ich weiterhin ein Auto fahren darf gings zur Préfecure.

Die machen um 9 Uhr ihren Laden auf. Das letzte Mal, dass ich eine Préfecture von innen gesehen habe ist schon etwas her. Damals in Strasbourg war das sehr nett: Eine grosse alte Halle. ca. 10 Schalter und eine Wartezeit von 15 Minuten für die Anmeldung eines Fahrzeugs.

Nun als Evry.
Ich bin um 8 Uhr 45 vor Ort. Es ist eisekalt. Schon von Weitem sehe ich eine lange Schlange. Bestimmt 500m lang.
Bei Näherkommen sehe ich ein Schild Asylanträge. Ok, diese lärmende 500m Schlange ist also die falsche. Auf der anderen Seite: 50m Schlange für Fahrzeugscheine und Führerscheine. Immerhin, dachte ich, da friert man nicht fest und es ist überdacht.

Wir warten fröhlich bis 9 Uhr. Die Schlangen werden immer länger, der Geräuschpegel steigt. Erste Randalen in der Asylschlange. Die Polizei trifft ein. Erste Hiebe mit den Schlagstöcken um für Ruhe zu sorgen. Dummerweise passiert das Gegenteil. Erste Absperrgitter werden umgeworfen. Allgemeine Unruhe macht sich breit.

In der Zwischenzeit haben sich ca. 2 Dutzend Polizisten am Gebäudeeingang innerhalb und ausserhalb der Türen postiert.
Ich sehe mir das Spektakel aus sicherer Entfernung an. Ein erfahrener Fahrzeuganmelder neben mir erklärt: "Ja es gibt nur 150 Tickets pro Tag für die Asylanträge. Und alle die kein Ticket bekommen müssen in der Schlange warten bis sie dran sind. Manche kommen deshalb mehrmals pro Woche her, denn um 12 macht das Amt zu und schickt alle Wartenden nach Hause".

Es tut sich was: Die Hälfte der Flügeltür geht auf. Auf der Seite Führerschein und Fahrzeugschein. Natürliche versuchen einige ganz Schlaue aus der Asylschlange jetzt über die Absperrung zu hechten und ins Innere des Gebäudes zu kommen. Doch wozu? Es ist ja noch niemand da der ihnen ein Ticket für ihre Schlange geben könnte. So setzts nur ein bischen Haue mit dem Schlagstock und ab wieder vor die Tür, dort lässt man ihn natürlich nicht mehr an seinen Platz in der Poolposition der Schlange. Hinten anstellen oder Morgen wiederkommen.

Inzwischen wird auch die andere Türhälfte geöffnet: Die Polizei lässt die ersten 20 Asylbewerber rein. Jetzt geht das Gedänge erst richtig los. So in etwa muss das auch an der Berliner Mauer gewesen sein. Nur hier geht das jeden Morgen um 9 Uhr so.


Auch ich bin mittlerweile im inneren des Gebäudes. In der zivilisierten Schlange. Mein Ticket ist Nummer 809.
Der tagtägliche Autoanmelder meint "Oh da haben sie ja Glück gehabt" und auf meinen fragenden Blick hin erklärt er: "Für ausländische Führerscheine gibts nur Nummer 800 bis 815 jeden Tag. Ansonsten muss man nochmal an nem anderen Tag kommen. Ich hoffe sie habens nicht eilig".
Nein ich hab ja mein Strickzeug dabei und einen halben Tag Urlaub. Das sollte reichen. Wie knapp das reicht wird mir wenig später klar: Jede 800er Nummer braucht zwischen 15 und 30 Minuten.
Endlich: 12 Uhr 15: Ich bin dran *freu* Gleich hab ich wieder einen Führerschein und bin nicht mehr als Clandestin unterwegs!!!

Ich komme zum Schalter. Erkläre, dass mein Führerschein gestohlen wurde und dass die Deutschen mir keinen geben wollen. Auch, dass ich schon vorher alle Dokumente an die Préfecture gemailt habe, um zu vermeiden, dass ich nochmal kommen muss weil irgendwas hochwichtig bürokratisches fehlt.
Die beiden Mädels hinterm Schalter verfallen in Panik: "Ja aber ihr deutscher Führerschein ...war der jemals registriert?" Ich verneine. Wie denn das? Sie erklären mir, dass es keine Europäischen Führerscheine gibt (auch wenn da eine Flagge mit lustigen Sternen drauf ist), denn keines der Länder wollte Geld ausgeben und eine europäische Datenbank erstellen. So muss man, wenn man nach Frankreich kommt den Führerschein "anmelden". Man behält seinen deutschen Führerschein und eine französische Referenznummer.
"Oder aber: Sie hätten ja in den dreieinhalb Jahren ein Knöllchen bekommen. Dann wird das automatisch angelegt. Sagen sie bloss sie haben in der ganzen Zeit hier nie ein Knöllchen bekommen?"
So das hat gesessen. Ich bin zu brav. Kein Knöllchen - kein Führerschein. Ich dachte immer das wäre umgekehrt...hab wohl in der Fahrschule doch nicht aufgepasst.
Zu spät.

Danach sehen sie sich den tolle "Auszug aus der Führerscheinkartei -gilt nicht als Fahrausweis-" an. Papier ist geduldig. Und die Damen der Préfecture zweifeln die Echtheit des Papiers an, denn : Iss ja auf deutsch.
Juhu es lebe Europa!!!
Mit ein bischen Gejammer meinerseits haben sie Mitleid und wollen sehen was sich tun lässt. Ich soll meine Handynummer hinterlassen, sie rufen dann zurück.

Und um alles noch zu toppen: Das ärztliche Attest ist nicht richtig ausgestellt. Ich muss nochmal zu einem anderen Arzt.

Und dann frägt sie: "Was bedeuten eigentlich die ganzen Buchstaben auf dem Führerschein?" Ich: "Welche?" sie zeigt auf M und T (Moped und Trecker), denn diese beiden Führerscheinklassen gibts in Frankreich garnicht.
Treckerfahren darf jeder. Sogar Mähdrescher... Soll ich vielleicht meinen Arbeitgeber um einen Mähdrescher bitten solange ich keinen Autoführerschein habe?


To be continued :)

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