Sonntag, 8. August 2010

Heiter bis wolkig

...örtlich auch mal Schauer.

So durchwachsen wie das Wetter war auch mein vermeintlicher Saisonhöhepunkt: MTB Langstrecke in St.Wendel.

Den Start der Profifrauen und Männer nahm ich mir als Beispiel: Die waren verdammt knackig unterwegs. Aber nun gut, die machen ja auch WM und fahren wenige Monate nach einer Leistenbruch-OP ja auch schon wieder so schnell, dass ich ein Auto oder zumindest einen Motor am Rad brauche um mitzuhalten.

Mein Start verlief gut.
Leider was das Wetter nicht so meins: Mal Sonne mal Wolken mal Wind.

Dennoch war die erste Hälfte schnell rum. Und fast ganz ohne Bodenberührungen.
Fast: Die erste im einzigen knackigen Berg, denn vor mir der Herr wurde immer langsamer, nahm aber schwankenderweise die gesamte Fahrbahn in Anspruch, sodass an überholen nicht zu denken war.
Die zweite Bodenberührung war noch unnötiger: In einem der wenigen Singletrails der ersten Hälfte kam ich aus ungeklärter Ursache (verpennt, nicht aufgepasst, schlechtes Karma?) von der Ideallinie ab und versenkte mein Vorderrad seitwärts rutschend im Treibsand.

Als ich nach der ersten Runde aufs Stadion zufuhr dachte ich noch: "Haha, die fahren jetzt schon ins Ziel...da käm ich mir unbefriedigt vor."
Schliesslich zahlt man für beides - Lang- und Mittelstrecke- das gleiche Startgeld. Aber auf der Langstrecke kann man das sozusagen doppelt so lange ausnutzen.

Und so verspachtele ich auch gleich mal doppelt so viele Wassermelonenstücke.

Bei 58km treffe ich auf Ralf.
Meine Motivation ist am Tiefpunkt, weil der Point of no return überschritten ist. Ich beneide nun die Mittelstreckenfahrer und wäre gerne unbefriedigt nach 55km ins Ziel gerollt.
Zu allem Überfluss gesellt sich zum Wind jetzt auch noch Regen!

Wir beschliessen uns gemeinsam zu quälen.
Das pass auch ganz gut, denn mein Durchhänger ist von 60 auf 70km, seiner von 70 auf 80.
Ich bin mir nicht mehr sicher wie wir auf unser Gesprächsthema kamen (von Arschbacken auf Kuchenbacken? Oder umgekehrt), aber nach kurzer Zeit stellen wir fest: Er arbeitet dort wo ich vorher gearbeitet habe: Beim Blau-gelben Discounter. Und er kennt meine ehemaligen Vorgesetzten aus Frankreich...so klein ist die Welt. Später stellen wir sogar fest, dass er auch meinen Vater kennt, denn zuvor arbeitete er beim grün-oragenen Einkaufsladen.

Und weiter gehts die nächsten Berge hoch ...manchmal gehts auch runter, aber das keinste Blatt in Verbindung mit dem grössten Ritzel wird verdammt oft benutzt.
Noch liegen wir in einer unter-7h-Zeit...toll. Weiter so.

Leider kann ich nicht alle Trails bergauf fahren. Die hatten letztes Jahr geklappt. Damals wars aber auch trocken. Heute ist der Waldboden so glitschig, dass man auf der Stelle mit durchdrehenden Reifen fährt -Kraftverschwendung. Murrend schieben wir hoch.

Bei der 80er Verpflegungsstelle zerre ich meine Armlinge aus dem Rucksack. In der letzten Abfahrt wäre ich fast an der Bremse festgefroren.
Das soll August sein???
Im Vorfeld auf den Marathon hatt ich immer wieder gesagt:"Hoffentlich wirds nicht zu heiss".
Diese Befürchtung stellte sich als völlig unbegründet heraus.

Bei 90km meint Ralf, dass es so langsam mal reicht, der Hintern würd langam wehtun.
Ich antworte "meiner nicht. Der ist gut gepolstert".
Er:"Meiner auch. Aber der darüberliegende Bauch ist auch gut gepolstert und das drückt den Hintern platt".
Solange nur der Hintern platt ist und nicht die Beine oder die Reifen ist doch alles im Butter.

Die 100km-Marke ist in Sichtweite.
Jetzt gehts nur noch heim.
Und hoch. Berghoch.
Ich vergleiche mit meinem Tacho und stelle fest: Entweder mein Tacho ist zu optimistisch, oder die Schilder sind falsch. Auf den nächsten Kilometern wird die Beschilderung (nun kilometerweise) immer abenteuerlicher. Unsere Vermutung: Die haben die Schilder einfach nach Befestigungsmöglichkeit und nicht nach Ausmessung aufgestellt. So nach dem Motto: Hey hier ist ein Baum. Mach mal das Schild da hin. Auf 500m kommts nicht an.

Ein Radfahrer vom Radteam Pfuhl taucht vor uns auf. Nanu? Der war doch soviel schneller als wir?
Am Berg laufen wir zu ihm auf.
"komm häng dich an uns ran!" versteht er schon nicht mehr, da er Maikäferähnlich zu Seite ins Kornfeld kippt.
Will er jetzt "ein Bett im Kornfeld singen???"
Nein, die arme Sau hat Krämpfe.
Hilft ja nix zuzugucken.
Also mit den dreckigen Fingern schnell eine Runde die Beine kneten.

Als ich fertig bin bedankt er sich und fragt er: "Machst du das beruflich?"
Äh nein, eigentlich bin ich Informatiker.

Vielleicht sollte ich umschulen?

Wir meistern die letzten Kilometer (oder was die Beschilderung für Kilometer hält) gemeinsam und rollen wie die drei Musketiere nebeneinander winkend über die Zielline.

Unter 7h wars dann doch nicht, aber geil wars. Mit breitem Grinsen im Gesicht schildere ich die Erste Hilfe auf den letzten Kilometern.
Meine mittelstreckefahrenden schon frisch geduschten Familienmitglieder staunen und sagen: Nö sowas hatten wir nicht.
"Und selbst wenn, du hast doch bestimmt den gleichen Tunnelblick, wie beim Laufen", grinse ich. Dumm nur: Sie machen genau in diesem Moment ein Bild von mir:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.